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Die Sanierung eines bewohnten Denkmals

Die Sanierung eines historischen Baudenkmals wie der Werkbundsiedlung stellt für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung dar: Am Anfang steht die Freude an der interessanten Aufgabe, aber auch eine gewisse Ehrfurcht vor jenen großen Persönlichkeiten der Architekturgeschichte, die durch ihre Entwürfe in der Werkbundsiedlung präsent sind. Nach der ausführlichen Studien-, Forschungs- und Planungsphase mit einem Expertenteam kommt schließlich der Punkt, an dem mit teilweise schwerem Gerät an der Bausubstanz gearbeitet wird, wo Presslufthämmer auf Architekturikonen treffen. Die Sanierung der 48 Häuser fand großenteils im bewohnten Zustand statt.

Wohnen im Denkmal?

Der Status als Baudenkmal und die sich daraus ergebenden Konsequenzen wurden im Planungsprozess durchaus kontrovers diskutiert. Es war sicher 1932 nicht die Intention der Architekten, mit der Werkbundsiedlung ein Denkmal mit Ewigkeitsanspruch zu schaffen. Studiert man Josef Franks Texte, so wird einem klar, dass es ihm vor allem darum ging, möglichst gut bewohnbare, in bestem Sinn funktionale Gebäude zu errichten, die durchaus von den Bewohnerinnen und Bewohnern ihren individuellen Bedürfnissen angepasst werden konnten. Erst die historische Entwicklung und die sich daraus ergebende herausragende Stellung der Werkbundsiedlung begründen den Denkmalstatus und den Anspruch auf Bewahrung eines „Originalzustandes“. Gewisse Abweichungen vom ursprünglichen Zustand sind aber im Hinblick auf eine zeitgemäße Wohnnutzung in Abstimmung mit dem BDA realisiert worden.

Thermische Sanierung kontra Architekturikonen

Das oft diskutierte Thema der Verbesserung der thermischen Qualität bei einem derart sensiblen Bauvorhaben muss sorgfältig überlegt werden. Die Gebäude der Werkbundsiedlung sind betont sachlich gestaltet und erzielen ihre Wirkung vor allem über ausgewogene Proportionen von Wandflächen und Öffnungen. Das Aufbringen einer Wärmedämmfassade würde dieses fragile Gleichgewicht entscheidend stören. Das Planungsteam hat deshalb eine Reihe von kombinierten Maßnahmen entwickelt, die auch ohne Wärmedämmung der Fassaden eine Reduktion der Heizkosten um ca. 50 % ermöglichen und gleichzeitig die Kondensatfreiheit der Wohnungen garantieren.

Liebe und Aufmerksamkeit für die Moderne

Die Wiener Werkbundsiedlung strahlt heute fast komplett in neuem Gewand. Eine Generalüberholung, die die Moderne gegenwartsfähig macht, die jedoch, wie die Architekten betonen, in Zukunft Pflege und Aufmerksamkeit bedarf. „Es gilt unbedingt, Zustände zu vermeiden wie wir sie beim Beginn der Sanierung antrafen, wo wir die Spuren von 30 Jahren Vernachlässigung sahen. Die Substanz braucht permanente Wartung,“ so Martin Praschl. „Rekonstruierte Häuser werden niemals einem Neubau entsprechen, dafür haben sie ihren ganz eigenen Charakter,“ ergänzt Azita Praschl-Goodarzi. Kein simulierter Neubau: Das heißt auch, dass in Wien bewusst auf eine „Übersanierung“ verzichtet wurde, wie sie teilweise in anderen Werkbundsiedlungen erfolgte. Ob die Abdrücke von Möbeln im fast 90jährigem Linoleum oder der sichtbare Pinselstrich auf den grünen Fensterrahmen: Hier gelang es, die Substanz zu reinigen und zu erhalten, ohne die Spuren der Nutzung zu tilgen. Es bleiben Häuser, die leben und atmen.