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Superblock versus Gartenstadt

Auch wenn heute monumentale Superblocks wie der Rabenhof oder der Karl-Marx-Hof unser Bild vom Wohnbauprogramm des Roten Wien bestimmen, konnte sich nach dem Ersten Weltkrieg vorerst die Siedlerbewegung in Wien behaupten. Neben den zahlreichen Genossenschaften trat auch die Gemeinde Wien zu Beginn der 1920er-Jahre als Bauträger einiger großer Reihenhaussiedlungen mit Nutzgärten auf, als Beispiele können die Siedlungsanlagen Hermesstraße, Freihof oder Weißenböckstraße genannt werden. 

Hochbau versus Flachbau

Mit der Frage „Hätte das Programm der 25.000 Volkswohnungen in Gestalt einer Gartenstadt verwirklicht werden können?“, sprach die sozialdemokratische Stadtverwaltung in ihrer 1926 erschienenen Publikation über die Wiener Wohnungspolitik ein Thema an, das beinahe alle europäischen Länder zu dieser Zeit beschäftigte. Die Frage Hoch- oder Flachbau war unter PolitikerInnen, WissenschafterInnen, ArchitektInnen und WohnreformerInnen jahrelang zentraler Gegenstand von Diskussionen, Vorträgen, Artikeln und Publikationen. Die Auseinandersetzung zwischen Anhängern und Gegnern der beiden unterschiedlichen Wohnvorstellungen – innerstädtische Etagenwohnung versus zweigeschoßiges Einfamilienhaus mit Garten – verstärkte sich in Wien zusehends, als sich herausstellte, dass sich die Stadtverwaltung bei der Umsetzung ihres Wohnbauprogramms bewusst zugunsten des mehrstöckigen Mietshausbaus entschieden hatte. Begründet wurde die Entscheidung mit dem Mangel an ausreichend Baufläche, hohen Aufschließungskosten, fehlenden Verkehrsverbindungen sowie den höheren Errichtungskosten von Reihenhäusern gegenüber Stockwerkswohnungen in innerstädtischen Großwohnanlagen. Ein wesentlicher Einfluss auf diese neue Ausrichtung der Wohnungspolitik ging hierbei von der Person Karl Seitz aus, der 1923 den Gartenstadtbefürworter Jakob Reumann als Bürgermeister von Wien ablöste. 

Volkswohnungspaläste

Die oftmals sehr wehrhaften, mit allerlei Zierrat versehenen Gemeindebauten des Roten Wien, die vorwiegend von Schülern Otto Wagners errichtet worden waren, hatten bei WohnreformerInnen und SiedlungsanhängerInnen wie Josef Frank bereits früh Kritik hervorgerufen. In seinem berühmten polemischen Aufsatz mit dem Titel „Der Volkswohnungspalast“ verurteilte Frank die monumentalen, pathetischen, palastartigen Großwohnanlagen mit den seiner Meinung nach schlechten Grundrisslösungen, denen er Kleinbürgerlichkeit vorwarf. Maßgeblich richtete sich seine Kritik gegen die Auflösung der Wohnküchen, da er in diesen eine der wichtigsten Errungenschaften der Siedlerbewegung gesehen hatte. 

Schaffung von Wohnraum

Im Rahmen des Wohnbauprogramms des Roten Wien wurden bis 1934 insgesamt 64.000 Wohnungen errichtet, wobei 89 % auf den Geschoßwohnbau entfielen. Mit dem Bau der großen Wohnhausanlagen und der sogenannten Superblocks, die etwa ein Sechstel davon ausmachten, hatte das Rote Wien im Gegensatz zu anderen Ländern ein Programm für den Massenwohnbau entwickelt, das der Wohnungsnot an der untersten Einkommensgrenze ein Ende setzen konnte.

Text: Anna Stuhlpfarrer