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Haus Wagner-Freynsheim (Nr. 69-70)

Adresse

Jagdschloßgasse 68 und 70

Verbaute Fläche

44 m²

Ernst LichtblauDie südlichsten Häuser der Mustersiedlung, die in einer Reihe mit den Bauten von Arthur Grünberger (Haus 63 / 64), Josef F. Dex (Haus 65 / 66) und Otto Breuer (Haus 59 / 60) situiert sind, stammen vom Wiener Architekten Helmut Wagner-Freynsheim. Direkt im Anschluss an sein Studium an der Technischen Hochschule in Darmstadt und Wien besuchte Wagner-Freynsheim ab 1912 die Bauschule von Adolf Loos und zählte damit neben Wilhelm Ebert und Paul Engelmann zu den ersten drei ordentlichen Hörern dieser privaten Ausbildungsstätte. Der Architekt arbeitet viele Jahre selbstständig und zeichnete für zahlreiche Villen und Wohnhausanlagen verantwortlich.

Die beiden unterkellerten zweigeschoßigen Häuser in der Werkbundsiedlung sind optisch gegen die südwestlich liegende Jagdschloßgasse ausgerichtet. Diese „Schauseite“ wird durch die Vor- und Rücksprünge der Fassade, den von Säulen gerahmten Eingangsbereich mit Laube sowie die ausgewogenen Fensterproportionen (Schiebefenster) akzentuiert. Der Gliederung an der Straßenfront mit dem erkeratig vorspringenden Obergeschoß entspricht auf der Gartenseite ein kleiner Rücksprung mit Pergola. Die Front gegen den Garten vermittelt einen eher abweisenden Charakter, was auch auf die Ausrichtung gegen Nordosten, die bei den vier benachbarten Häusern in der Jagdschloßgasse durch den Verlauf der Baulinie vorgegeben war, zurückzuführen ist.

Im Bereich des Erdgeschoßes hat sich Helmut Wagner-Freynsheim gleich wie Ernst Lichtblau (Haus 41 / 42) für eine unterschiedliche Raumdisposition in beiden Häuser entschieden. Entsprechend dem Anspruch der Werkbundsiedlung, eine möglichst große Anzahl verschiedener Typenhäuser hervorzubringen, ist der Wirtschaftsbereich von Haus Nr. 69 mit Küche und angrenzender Kammer ausgeführt, während Haus Nr. 70 im Gegensatz dazu eine Wohnküche aufweist. Die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Küchenvarianten – Wohnküche, Essküche, Arbeitsküche – wurden in den 1920er-Jahren von den WohnreformerInnen beinahe sämtlicher europäischer Länder diskutiert. Im Gegensatz zu den Kleinstwohnungen, wo aufgrund des Minimums an Wohnfläche die Wohnküche das Wohnzimmer ersetzte, ist in den Häusern der Werkbundsiedlung die Wohnküche als zusätzlicher Wohnraum zum Wohnzimmer zu verstehen. Beide Räume erstrecken sich bei Wagner-Freynsheims Musterhäusern über die gesamte Tiefe des Hauses und können somit quergelüftet werden.

Historische Aufnahmen geben einen Eindruck von der Inneneinrichtung der je 70 m² Wohnfläche umfassenden Häuser Wagner-Freynsheims, deren Ausstattung der Architekt selbst übernommen hatte. Die Fotos zeigen die Einrichtung des Wohnraums mit unterschiedlichem, beweglichem Mobiliar sowie die im Wohnraum offen ansetzende Treppe ins Obergeschoß, das dem Funktionsbereich Schlafen vorbehalten war.

Text: Anna Stuhlpfarrer

Historische Grundrisse