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Haus Groag (Nr. 45-46)

Adresse

Woinovichgasse 5 und 7

Verbaute Fläche

43 m² (Haus 45)
45 m² (Haus 46)

Jacques Groag, dessen Werk nach seiner Emigration 1938 für viele Jahre beinahe vollständig in Vergessenheit geraten war, hat in der Wiener Mustersiedlung zwei gekoppelte Reihenhäuser in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Bauten Hugo Gorges (Haus 43 / 44) und Richard Neutras (Haus 47) realisiert. Die beiden dreigeschoßigen Häuser, welche bereits vor Eröffnung der Werkbundausstellung 1932 verkauft worden waren, zeichnen sich durch eine mittels verschiedener Fenstertypen rhythmisierte Fassade sowie das rückversetzte zweite Obergeschoß aus. Die beiden Typenhäuser stellen Jacques Groags erste selbstständige Bauten in Wien dar, zuvor war er in Österreich nur als Bauführer und Mitarbeiter beim Haus Moller von Adolf Loos und dem Wittgenstein-Haus in der Kundmanngasse 19 im 3. Wiener Gemeindebezirk beteiligt.

Die beiden Häuser, die leicht voneinander abweichende Eingangssituationen aufweisen, sind im Erdgeschoß in zwei Raumschichten gegliedert. Vom straßenseitig liegenden, eher niedrigen Wirtschaftstrakt mit Vorraum, Treppe, Küche und Kammer (WC statt Kammer im Haus Nr. 45) gelangt man über einige Stufen in den großen, quer gelagerten Wohnraum mit Verbindung zum Garten. Die mittige Erschließung ermöglicht die Teilung des aufgrund der größeren Raumhöhe sehr großzügig wirkenden Wohnraums in einen Essbereich und eine jenseits der Verkehrswege liegende eher ruhige Zone. Mit dieser Raumorganisation mittels unterschiedlicher Raumhöhen schließt Groag an die Grundrisskonzeptionen von Adolf Loos an, in dessen Bauschule er unter anderem seine Ausbildung erfahren hatte. Ein vierteiliges Fenster sowie die Terrassentür schaffen eine fließende Verbindung zu der direkt vor dem Haus liegenden Laube bzw. dem sogenannten Gartenplatz. Gemäß der geschoßweisen Trennung der verschiedenen Funktionsbereiche sind über dem Wohnbereich im ersten Stock die Schlafzimmer sowie ein Badezimmer angeordnet. Das zweite Obergeschoß ist abgetreppt und weist einen als Atelier ausgezeichneten Einzelraum mit vorgelagerter Terrasse auf.

Die Einrichtung der beiden Häuser wurde von Jacques Groag, der auf dem Gebiet der Inneneinrichtung bereits auf jahrelange Erfahrung zurückblicken konnte, selbst übernommen. Die Möbel sind vorwiegend entlang der Wände angeordnet, um eine möglichst große Bewegungsfläche freizuhalten. Die eher niedrig gehaltenen, fix eingebauten Möbel wie die Sitzbank oder das Tagesbett sind durch leichte, bewegliche Möbel ergänzt. „Insgesamt hielt die Einrichtung der Räume eine ausgewogene Balance zwischen einer puristisch funktionalistischen Kargheit und bürgerlicher Gemütlichkeit, die für die Wiener Interieurs […] charakteristisch war“, so Ursula Prokop. Jacques Groag ist als Vertreter der sogenannten Zweiten Wiener Moderne anzusehen, der neben Josef Frank und Oskar Strnad auch Ernst Plischke oder Margarete Schütte-Lihotzky angehörten.

Text: Anna Stuhlpfarrer

Historische Grundrisse